Im Falle eines nichtmuskelinvasiven Tumors, d. h. der Tumor beschränkt sich auf die oberflächlichen Schichten und ist in den Blasenmuskel noch nicht eingewachsen, wird meist eine organerhaltende Therapie angestrebt. Bei Tumoren, die bereits den Blasenmuskel infiltrieren (muskelinvasiv), ist eine komplette Entfernung der Blase die Therapie der Wahl (Zystektomie). In ausgewählten Fällen wird Patienten mit oberflächlichen Tumoren, deren Zellen mikroskopisch jedoch eine sehr hohe Aggressivität aufweisen, so dass von einem Wiederauftreten und Fortschreiten der Erkrankung nach organerhaltender Therapie ausgegangen werden muss, ebenfalls zu einer frühzeitigen operativen Blasenentfernung angeraten. Die Behandlung richtet sich natürlich nicht nur nach der Ausdehnung des Tumors, vielmehr wird das Therapiekonzept individuell auf jeden Patienten abgestimmt.
Während bei den muskelinvasiven Harnblasentumoren die operative Entfernung der Harnblase die einzige auf Dauer heilende Therapieoption darstellt, gibt es bei den nichtmuseklinvasiven Karzinomen, abhängig von Ausdehnung und Differenzierungsgrad, verschiedene therapeutische Vorgehensweisen.
So ist zum Beispiel bei einem kleinen, monofokal (an einer Stelle), nur die Schleimhaut betreffenden, papillär wachsenden, gut differenziertem Karzinom die Therapie mit der TURB zunächst abgeschlossen.
Infiltriert der Tumor die Bindegewebsschicht der Blasenwand, wächst an mehreren Stellen und /oder ist schlecht differenziert, so empfehlen wir eine Nachresektion (erneute TURB) vier Wochen nach der ersten TURB. Diese wird durchgeführt, um eventuell zurückgebliebene Tumorreste vollständig zu entfernen. Unmittelbar nach der TURB führen wir, nach internationalem Standard, eine sog. Frühinstillation durch. Dabei wird für eine Stunde ein Chemotherapeutikum über den liegenden Blasenkatheter in die Harnblase gegeben, um eventuell zurückgebliebene / abgeschilferte Tumorzellen abzutöten und damit ein erneutes Tumorwachstum zu verhindern. Der Blasenkatheter wird in der Regel zwei bis vier Tage nach der Operation entfernt, so dass der Patient mit einem ca. fünftägigen stationären Aufenthalt rechnen muss.
Je nach Ausdehnung und Differenzierung des Tumors wird im Anschluss an den stationären Aufenthalt eine sog. Langzeitinstillationstherapie, um das Wiederauftreten und Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern, empfohlen. Dabei wird entweder ein Chemotherapeutikum (z.B. Mitomycin C) oder ein Immuntherapeutikum (z.B. veränderte Tuberkulosebakterien, BCG) wiederholt in die Blase instilliert. Dies wird zunächst wöchentlich über einen Zeitraum von sechs Wochen (sog. Induktionszyklus), und anschließend, je nach Substanz, in Abständen von ein bis mehreren Monaten (sog. Erhaltungstherapie) empfohlen. Durchgeführt wird die Langzeitinstillation in der Regel ambulant durch den niedergelassenen Urologen.
Bei muskelinvasiven, nicht metastasieten Harblasenkarzinomen und bei besonders aggressiven Formen eines oberflächlichen Tumors stellt die operative Entfernung der Harnblase die einzige auf Dauer heilende Therapie dar. Die Indikationsstellung zur Blasenentfernung ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Die Entfernung der Harnblase (Zystektomie) und die damit notwendige Harnableitung hat auf das weitere Leben des Patienten erhebliche Auswirkungen, so dass vor einer solch großen Operation zusammen mit dem Patienten die Chancen und Risiken sorgfältig abgewogen werden müssen. Entschließt man sich zu einer Zystektomie ist wegen der ständigen Urinproduktion (täglich ca. 1,5 Liter) in den Nieren eine Harnableitung zwingend erforderlich. Hierzu stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Bei der Wahl der Harnableitung wird neben anatomischen Verhältnissen und der Tumorausbreitung in besonderem Maße auch dem Wunsch des Patienten Rechnung getragen.
Wird die Harnblase entfernt, werden neben den dazugehörigen Lymphknoten auch weitere Organe entfernt: Beim Mann die Prostata mit Samenbläschen und, bei einem Tumorbefall, auch die Harnröhre. Dies führt zu einem Verlust des Samenergusses, der Fruchtbarkeit und häufig auch der Gliedsteife. Bei der Frau werden zusätzlich aus anatomischen Gründen die Gebärmutter, Eierstöcke, Eileiter, vordere Scheidenwand und die Harnröhre entfernt.
Für die Harnableitung stehen verschiedene Formen zur Verfügung. Dabei unterscheidet man zwischen kontinenten (Ileum Neoblase, Mainz Pouch I, Mainz Pouch II, Ureterosigmoidostomie) und inkontinenten (Ileum-Conduit, Sigma-Conduit, Ureterokutaneostomie) Harnableitungsverfahren. Sämtliche Formen der Harnableitung werden an unserer Klinik durchgeführt.
Kontinente Harnableitungen
Bei den kontinenten Harnableitungsverfahren werden zum Ersatz der Harnblase (Urinreservoir) Dünndarm- (Ileum Neoblase), Dickdarm- (Mainz Pouch II, Uretero-sigmoidostomie) oder Dick-und Dünndarmanteile (Mainz Pouch I) benutzt. Obwohl sämtliche Formen der kontinenten Harnableitung an unserer Klinik durchgeführt werden, werden im Folgenden nur diejenigen dargestellt, welche die besten funktionellen Ergebnisse liefern und dem Patienten eine hohe Lebensqualität sichern.
Ileum Neoblase/Ersatzblase (Urineinleitung in ein Reservoir aus Dünndarm)
Dabei wird aus einem ca. 60cm langen, aus der Nahrungspassage ausgeschalteten Dünndarmstück eine Ersatzblase gebildet. Diese wird im kleinen Becken an der selben Stelle platziert, an der sich die ursprüngliche Harnblase befand (orthotoper Harnblasenersatz). Die beiden Harnleiter werden in die neue Blase eingepflanzt und der untere Teil der Neoblase wird mit einem speziell geformten Anschlusstück an die Harnröhre angeschlossen, so dass die Blasenentleerung auf natürlichem Wege über die Harnröhre erfolgen kann. Die Blasenentleerung erfolgt passiv durch Erhöhung des Druckes im Bauchraum (Pressen). Diese Form der Ableitung ermöglicht dem Patienten ein Maximum an Lebensqualität nach Entfernung der Harnblase. Vorraussetzung für die Bildung einer Ersatzblase ist, dass die Harnröhre nicht mit Tumor befallen ist.
Vorteile:
- natürlicher Urinabfluss über die Harnröhre
- meist dichter Verschluss der Harnwege (Kontinenz)
- Maximum an Lebensqualität
Nachteile:
- möglicher Vitaminmangel (B12, Folsäure)
- mögliches Rezidiv in der Harnröhre
- möglicherweise vermehrt Durchfälle
- erhöhtes Risiko der Gallen- und Nierensteinbildung
Mainz Pouch I (Urineinleitung in ein Reservoir aus Dick- und Dünndarm)
Ist die Bildung einer Ersatzblase im kleinen Becken nicht möglich, steht als weitere kontinente Form der Harnableitung die Bildung eines Urinreservoirs (Pouch) aus unterschiedlichen Darmanteilen zur Verfügung. Dabei wird aus zwei Enddarmschlingen (je ca. 15cm) und dem Anfangsteil des Dickdarms (ca. 12cm) ein Blasenersatz gebildet. Die Harnleiter werden eingepflanzt und das Reservoir wird über einen Kontinenzmechanismus (sog. Nippel oder Blinddarm) an die Nabelgrube angeschlossen (sog. Nabelstoma). Zur Urinentleerung muss der Pouch über das Nabelstoma unter Zuhilfenahme eines dünnen Einmalkatheters entleert werden. Dies muss der Patient mehrmals täglich selbst durchführen (Selbstkatheterismus).
Vorteile:
- meist komplette Kontinenz
- relativer Schutz vor Infektionen
- kaum Einschränkung der Lebensqualität durch gutes kosmetisches Ergebnis
Nachteile:
- Notwendigkeit des Selbstkatheterismus
- möglicher Vitaminmangel (B12, Folsäure)
- möglicherweise vermehrt Durchfälle
- erhöhtes Risiko der Gallen- und Nierensteinbildung
Inkontinente Harnableitungen
Sind die Vorraussetzungen für eine kontinente Harnableitung nicht gegeben, muss der Urin direkt durch die Haut nach außen abgeleitet und von einem Beutel, der auf die Bauchhaut aufgeklebt wird, aufgefangen werden. Man spricht von einer „nassen“ oder inkontinenten Harnableitung, da der Urin kontinuierlich in den Beutel tropft. Auch hier stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung.
Ileum Conduit / Sigma Conduit
Aus dem Enddünndarm wird ein kurzes Segment aus der Nahrungspassage ausgeschaltet und zur Ausleitung aus der Bauchdecke benutzt. Die Harnleiter werden in das innere Ende des Darmstückes eingepflanzt und das offene äußere Ende wird mit der Haut vernäht. Darüber wird der Urin in den Klebebeutel abgeleitet. Dieser wird in regelmäßigen Abständen durch den Patienten selbst geleert. Wird das Conduit nicht aus Dünndarm, sondern aus einem kurzen Stück Krummdarm gebildet, spricht man von einem sog. Sigma Conduit.
Vorteile:
- Schutz der Nierenfunktion
- relativ gute Lebensqualität durch moderne Beutelsysteme
Nachteile:
- inkontinente, „nasse“ Harnableitung
- regelmäßiger Wechsel der Stomaplatte und des Klebebeutels
- kosmetische Einbußen
Harnleiterhautfistel (Ureterokutaneostomie)
Bei dieser Form der Harnableitung werden die Harnleiter direkt, ohne Zwischenschaltung eines Darmsegmentes in die Haut eingenäht, und mit einem Klebebeutel versorgt. Der Hauptnachteil dieser Methode besteht darin, dass die Harnleiter an der Durchtrittstelle durch die Bauchdecke häufig zu Engstellen neigen, und damit meist eine innere Harnleiterschienen-dauerversorgung notwendig ist. Daher führen wir diese Methode nur in Ausnahmefällen durch.
Vorteile:
- Schutz der Nierenfunktion
- kurze Operationsdauer
Nachteile:
- inkontinente, „nasse“ Harnableitung
- regelmäßiger Wechsel der Stomaplatte und des Klebebeutels
- kosmetische Einbußen
- meist dauerhafte Harnleiterschienenversorgung erforderlich
Welche Form der Harnableitung auch gewählt wird, der Patient muss damit gut zurecht kommen. Daher erfolgt die Anleitung zum Umgang mit den verschiedenen Formen der Harnableitung an unserer Klinik durch speziell ausgebildetes Fachpersonal. Zur Versorgung inkontinenter Ableitungsformen („nasses“ Stoma) werden die Patienten von einer Stomatherapeutin ausführlich und wiederholt angeleitet, bis die Selbstversorgung problemlos möglich ist.